Denkanstöße für den Kampf gegen Morbus Parkinson
Die Summe aus meinen persönlichen Erfahrungen mit der Diagnose Morbus Parkinson seit 2013 lässt sich in einer Auflistung von rund 15 Punkten zusammenfassen. Sie sind völlig subjektiv und lassen sich nicht auf andere Erkrankte übertragen. Sie sind eine aktuelle Momentaufnahme im Sommer 2025 ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder unbefristete Gültigkeit. Wenn sich jedoch der eine oder die andere durch den einen Gedanken oder Herangehensweise bestätigt fühlt, hat sich die Zusammenstellung bereits gelohnt.
Lebe den Moment.
Du weißt nicht, ob es ihn ein weiteres Mal gibt. Und ob Du nicht irgendwann bereust, ihn nicht genutzt zu haben.
Du darfst nicht aufgeben zu kämpfen.
Wer zu früh aufgibt, hat länger mit der Niederlage zu tun.
Krankheit kostet:
Informiere Dich über Deine Rechte und Ansprüche, Stichworte: Wahl der Krankenkasse, Schwerbehindertenausweis, Gleichstellung, Erwerbsminderungsrente, Pflegeversicherung, Pflege-Bahr, Vergünstigungen bei der Deutschen Bahn, Fluggesellschaften und Verkehrsgesellschaften (Rollstuhl-Service/Wheelchair-Service). Auf Reisen hilfreich ist der sogenannte „Euro-Behinderten-WC-Schlüssel“ des Darmstädter Vereins „Club Behinderter und ihrer Freunde e.V.“ Damit lassen sich Deutschland, Österreich und der Schweiz die Türen zu vielen Behinderten-Toiletten kostenlos öffnen.
Lege Dir ein dickes Fell zu und einen langen Atem an.
Bereite Dich vor auf langfristige Schriftwechsel mit Ämtern, Versicherungen und anderen Institutionen. Manche Anträge werden beim ersten Mal pauschal abgelehnt. Dann solltest Du einen Widerspruch prüfen und ggf. ergänzt um weitere Unterlagen Widerspruch einlegen, um etwaige Rechtsansprüche nicht zu verlieren.
Längst nicht jede vermeintliche Niederlage ist wirklich eine.
Viele Rückschläge stellen sich bei genauer Betrachtung als neue Chancen heraus.
Bleibe kritisch:
Bei der Arztwahl, bei der Medikation, bei der Wahl von Psycho- und Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Krankenversicherungen und so weiter. Du hast das Recht auf eine Zweitmeinung und musst nicht den erstbesten Ort einer Reha- oder Kurmaßnahme akzeptieren.
Jeder Parkinson ist individuell.
Gute Neurologen sind viel mehr als reine Pillenausgabestellen. Auch wenn Du bisweilen einige Monate auf den Termin bei einem anderen Neurologen warten musst, lohnt sich häufig die Suche nach einem Dir wohlgesonnenen Arzt.
Höre auf Dich, Deine innere Stimme und Dein Bauchgefühl.
Du entscheidest, welche und wie viele Medikamente Du wann nimmst. Das kann Dir kein noch so guter Neurologe abnehmen. Jede Medikation bleibt eine Art pharmazeutischer Feldversuch mit offenem Ausgang. Die Tiefenhirnstimulation (THS) kann Wunder wirken und hat in den vergangenen große Fortschritte gemacht. Sie kann aber auch schiefgehen.
Störe Dich nicht an den Blicken anderer. Sie wissen oft genau so wenig von Parkinson wie Du vor Deiner eigenen Diagnose. Und sei ehrlich: An ihrer Stelle würdest Du vielleicht genau so ahnungslos und doof dreinblicken.
Bleibe aktiv und beweglich.
Wenn sich Dein Dopaminmangel auf Deine sportlichen Aktivitäten auswirkt: Gute Physio- und Ergotherapeuten geben Dir Beispielübungen als „Hilfe zur Selbsthilfe“ mit nach Hause. Auch wenn es täglich nur 10 oder 15 Minuten sind – Du wirst merken, wie gut es Dir tut.
Versuche es mit Tischtennis:
Der PingPongParkinson e.V. mit Sitz im niedersächsischen Nordhorn hat seit Gründung 2020 wenigen Jahren bereits einige Tausend Parkinson-Erkrankte an die Tischtennisplatte gebracht. Inzwischen gibt es deutschlandweit über 260 Stützpunkte.Tischtennis fördert die körperliche und geistige Beweglichkeit. Den Standort in Deiner Nähe findest Du auf www.pingpongparkinson.de
Lächle, oder versuche es zumindest.
Parkinson geht häufig mit ein ausdruckslosen Mimik einher. Der Blick wird starr. Man vermittelt den Eindruck begriffsstutzig zu sein. Falls die Begegnung es zulässt, erkläre das Phänomen. Es ist oft besser als das Dein Gegenüber es weiß, bevor er auf andere Gedanken kommt, z. B. Meeting im Büro, VHS-Vortrag, Vorstellungsrunde einer Gruppenreise.
Spreche langsam, deutlich und betont.
Wenn sich Dein Parkinson auf Deine Aussprache auswirkt, kann Dir eine Logopädin helfen, Deine Stimme zu stärken. Eine gute Übung zum Erhalt der Sprache ist auch das Singen. Versuche es ruhig einmal bei einem Chor. In der Gemeinschaft zu singen, ist eine tolle Erfahrung. Und: Es gibt auch Chöre, die vollkommen ohne Noten auskommen.
Überlege Dir gut,
wann und wem Du über Deinen Parkinson berichtest. Du wirst ihn nicht auf Dauer verheimlichen können. Sich selbst als Betroffener zu outen ist einfacher als geoutet zu werden. Du solltest aber auch nicht allen gleich von Deiner Diagnose berichten, insbesondere nicht Deinem Arbeitgeber oder Leuten, die es nur „gut mit Dir meinen“. Das Gegenteil von „gut gemacht“ ist häufig „gut gemacht“.
Mach Dich auf die Reaktion der anderen gefasst.
Die Bandbreite reicht von diskriminierenden, strafbaren Beleidigungen über die interessierte, aber zurückhaltende Teilnahme bis zu übertriebenen Mitleidsbekundungen. Es kommt immer auf Dein Gegenüber und dessen Erfahrungen an.
Sei nicht traurig,
wenn Du im Laufe der Zeit Freunde und Bekannte verlierst. Manche können die Wahrheit einfach nicht ertragen und haben Schwierigkeiten mit sich selbst. Dann sind sie kein großer Verlust. Und Du lernst bestimmt neue Menschen kennen, die Dich inspirieren oder Mut machen können. Und: Wahre Freundschaften dagegen sind stärker als jedes Parkinson-Syndrom. Das gilt insbesondere für Partnerschaft und Ehe.
Regle Dein Zeugs:
Überlege Dir, ob Du eine Exit-Strategie brauchst. Kümmere Dich rechtzeitig um Dein Erbe samt Testament und Patientenverfügung. Wenn Du weisst, dass sich Deine Lieben nicht mit Deinen Angelegenheiten rumplagen müssen, schafft Dir das neue Kräfte. Mit dem Testament geht das Leben nicht zu Ende. Es fängt damit erst richtig an.
Du entscheidest, wann es gut ist.
Parkinson ist nicht tödlich. Das Ende kann trotzdem schroff und eklig werden. Aber Du hast es selbst in der Hand. Falls Du Hilfe beim Sterben brauchen solltest: Lass Dir von Therapeuten helfen Vielleicht ist auch die Organisation für Recht auf ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Sterben etwas für Dich?